Samstag, 15. September 2018

Vegetarier müssen draussen bleiben

So oder so ähnlich sollte man einen kurzen Warnhinweis an die Tür der Kindertagesstätte hängen, um die es im folgenden Blogpost geht. Mein Kind wurde abgelehnt. Ausgesondert. Weil es kein Fleisch isst. Und ja, ich muss direkt noch einen Schluck beruhigenden Kamillen- Tee aus meiner großen Tasse nehmen um meiner Wut in diesem Text nicht all zu großen Spielraum zu überlassen.
Und um diese übrig gebliebene Wut vielleicht doch noch in etwas positives verwandeln zu können hab ich beschlossen den Vorfall nicht ungehört zu lassen und meine (wirklich enttäuschende!) Erfahrung mit euch zu teilen. 

Um gleich am Anfang jede mögliche Angriffsfläche aus dem Weg zu räumen: mir geht es hiermit nicht darum um die richtige Ernährungsweise zu streiten - darüber sollte sich meiner Meinung nach jeder seine eigene Meinung bilden, essen worauf er Lust hat und glaubt was seinem Körper gut tut - und ich möchte definitiv nicht urteilen. Was ich aber möchte ist, diesen Vorfall zur Diskussion zu bringen, zum Nachdenken anregen und möglicher Weise diesen Post als Fläche für Erfahrungsaustausch nutzen. 

Und jetzt schnell noch den nächsten warmen Schluck Tee, gönnt euch ruhig auch noch fix einen. Kann nicht schaden. 

So kann´s gehen:

Nach langer Recherche und Wartezeit einen geeigneten Kita- Platz in Dresden zu finden, sind wir vor ein paar Wochen an eine kleinere Kita eines freien Trägers vermittelt worden. Das Kennenlern-Gespräch war durchaus sehr nett, die Einrichtung hatte uns vom Äußeren sofort überzeugt und besonders das pädagogische Konzept, dass jedes Kind in seiner Entscheidung frei sein darf und die Gleichstellung aller Kinder an erster Stelle steht hat uns als Eltern total überzeugt. Das ist das wofür wir stehen. Wir sind also mit einem fast schon beflügelten, positiven Gefühl raus aus dem Gespräch und waren uns bereits nach einigen Minuten des Nachhause Gehens sicher: dieser Kita sagen wir zu.
Gesagt, getan. Nach ein paar vergangenen Tagen habe ich eine liebe Mail an die zwei Leiter der Kita geschrieben, wir haben uns entschieden und dass wir uns freuen unser Kind hier anmelden zu dürfen. 
Dann die Antwort- Mail der Einrichtung, die mich eine Stunde lang hat fassungslos in meinen Pulli heulen lassen. Kurzumschreibung: "Da Ihnen eine vegetarische Ernährung Ihres Kindes wichtig ist, haben wir im Team beschlossen Ihr Kind nicht in unseren Kindergarten aufzunehmen." Man wolle damit möglichen Konflikten aus dem Weg gehen. Mein Kind wurde abgelehnt weil es kein Fleisch isst. Das musste ich erstmal ein paar Tage sacken lassen um das ganze überhaupt mit eigenen Worten wiedergeben zu können. Um auch nochmal klarzustellen: das Catering der Kita hätte kein Problem damit gehabt, eine Portion ohne Fleisch anzurichten. Es geht hier lediglich um eine Werteeinstellung.
Und zwar um eine, die ich zutiefst unmoralisch finde. Um eine, die mit Toleranz und Offenheit für "andere" Lebensweisen nur sehr wenig am Hut hat. Die Diskussionen aus dem Weg geht, um den einfachsten Weg zu wählen. Die den Kindern nur den "einen richtigen Weg" vorgibt. 
Mir hat sich relativ schnell die Frage gestellt, was denn gewesen wäre, wenn mein Kind aus religiösen Gründen kein Fleisch essen würde? Was, wenn mein Kind aus einer jüdischen Familie käme. Oder aus einer muslimischen. Oder: was wäre, wenn mein Kind eine Allergie hat gegen bestimmte Lebensmittel? Würde man sich dann auch den einfachsten Weg suchen und aussondern? Und ich schreibe hier ganz bewusst aussondern, denn im Nachhinein war mir nicht bewusst das sich eine Kindertageseinrichtung ihre Kinder nach Ihren Wunschvorstellungen aussuchen kann. Wie in einem Bewerbungsverfahren. Man stelle sich vor, eine Schule würde nach den Essessgewohnheiten eines Kindes fragen bevor sie das "ok" für seine Bildung an dieser Schule gibt. 

Spätestens jetzt hilft auch der Tee nichts mehr, ...

Natürlich habe ich das Geschehnis bereits der zuständigen Vermittlungsstelle in Dresden gemeldet. Und ja, Dresden schmückt sich ja auch abseits des Themas nicht gerade mit dem Privileg Toleranz und Weltoffenheit. Von daher kann ich nur hoffen das meine Mail bei der Richtigen Bearbeiterin auf dem Schreibtisch landet und Gehör findet. 
Aber auch das reicht mir nicht, ich möchte zu mehr lauter Stimme aufrufen. Ich möchte, das es gar nicht mehr dazu kommt über das Essenverhalten der anderen zu urteilen. Ich denke, das man in dieser Gesellschaft schon genug in anderen Sachen einen Stempel aufgedrückt bekommt, muss man dann auch noch auf den Teller der anderen schauen? Bewerte ich jetzt einen Menschen, ob er auf seinem Brot eine Scheibe Käse liegen hat oder nicht? Ob er sich auf seinen Grill eine echte Thüringer schmeisst oder doch lieber ein Soja Würstchen? Nein, danke. Ich will das so nicht. Und was ich erst recht nicht will ist, das mein Kind auf Grund seiner Essgewohnheiten zuhause bleiben muss und ich nicht arbeiten gehen kann, da eine andere verfügbare Pflegeeinrichtung in einer Stadt mit knapp bemessenen Kitaplätzen nicht auffindbar ist. 

Was mir an dieser Stelle auch noch wichtig ist zu sagen: Natürlich finden wir es FÜR UNS richtig, keine Tiere zu essen. Keiner krempelt sein Leben ohne Grund einfach so auf eine pflanzenbasierte Ernährung um. Und natürlich sind wir Vorbilder für unser Kind, auch am Essenstisch. Aber: ich lasse es meinem Kind jederzeit offen, ob es anderswo zum Kindergeburtstag eine Wiener essen will zum Kartoffelsalat oder nicht. Unser Kind darf natürlich frei entscheiden was es essen mag, sobald es überhaupt fähig ist sich darüber Gedanken zu machen was seiner Meinung nach gut ist und was nicht. Und so lang übernehmen wir das. Das ist wohl hoffentlich in allen Augen
das natürlichste der Welt, was Eltern für Ihre Kinder tun können: Verantwortung tragen, Werte vermitteln und Vorbild sein.

Danke für euer offenes Ohr. 
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